Wie Hunde fressen (Teil 6) – Hilfe mein Hund frisst Kot

Im letzten Teil haben wir 3 Probleme rund um die Fütterung betrachtet, heute schauen wir uns ein sehr häufiges und aus Sicht der Hundehalter gleichzeitig ein sehr ekliges Futterproblem ein wenig genauer an. Wir starten direkt.

Hilfe, mein Hund frisst Kot!

Was bedeutet Kotfressen und was sind die Ursachen für dieses Verhalten?

Beim Kotfressen (das Fachwort hierfür lautet Koprophagie) nimmt der Hund meist auf dem Spaziergang den Kot von anderen Tieren oder Menschen auf und frisst ihn. Dieses Problem wird mir tatsächlich häufiger berichtet, es scheint also, auch wenn ich keine Studien darüber kenne, weit verbreitet zu sein. Zum einen hängt das sicherlich damit zusammen, dass es sich hierbei tatsächlich um ein natürliches Verhalten bei Hunden handeln kann; zum anderen ist das damit begründet, dass es ein schwer zu korrigierendes Verhalten ist. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung; mein ehemaliger Hospizhund Boogy war ein leidenschaftlicher Kotfresser, er ließ dafür alles stehen und liegen und fand auch noch den kleinsten Krümel unterwegs. Besonders affin war er gegenüber dem Kot von Hunden. Egal, was wir auch erziehungstechnisch versucht haben, wir haben es in der Zeit, die er hier war, nicht mehr aus ihn heraus bekommen.

Kotfressen kann tatsächlich eine natürliche Verhaltensweise sein. Hundemütter fressen zum Beispiel den Kot ihrer Welpen in der ersten Zeit nach der Geburt und halten damit das Nest sauber. Im Kot von Pflanzenfressern finden sich oftmals verdaute (und damit fermentierte) Stoffe, was den Speiseplan des Hundes aufpeppt. Frisst der Hund Kot von anderen Hunden möchte er damit vielleicht Markierungsstellen von anderen Hunden entfernen (Hunde markieren nicht nur mit Urin, sondern auch mit Kot). Es ist aber auch möglich, dass er auf Hundekot als Nahrungsquelle ‘geprägt’ wurde. Das passiert zum Beispiel, wenn ein junger Hund viel Zeit in einem isolierten Hundezwinger verbringt, oder wenn ein Hundewelpe nicht genügend Futter zur Verfügung hatte und den Kot von Mutter und Geschwistern als Nahrungsquelle für sich entdeckt hat.

Bei Boogy wird eine Prägung auf Kot stattgefunden haben, wir vermuten, dass es sich bei ihm um einen ehemaligen Jagdhund aus Frankreich gehandelt hat. Dort werden diese Hunde oftmals in Zwingern gehalten. Wahrscheinlich hatten wir deswegen so große Schwierigkeiten.

Eine weitere mögliche Ursache kann aber auch ganz einfach die Reaktion des Hundehalters auf die Fressaktion sein. Sieht der Hundehalter den Hund Kotfressen, erschrickt er, läuft schnell hin, ekelt sich vor seinem Hund und überschüttet ihn mit Aufmerksamkeit, damit der Hund ja vom Kot ablässt. Gerade bei Hunden, die sonst beim gemeinsamen Spaziergang eher wenig Beachtung von ihren Besitzern bekommen, ist menschliche Aufmerksamkeit eine sehr hochwertige Ressource. Merkt der Hund also, dass sich der Mensch, der sonst die ganze Zeit im Gespräch mit anderen Menschen vertieft ist oder aufs Handy schaut, plötzlich “alles stehen und liegen lässt”, wenn er Kot frisst; wird er dies unter Umständen häufiger tun. Man nennt das dann aufmerksamkeitsforderndes Verhalten.

Wichtig zu wissen ist aber auch, dass Kotfressen durchaus auch auf Mangelerscheinungen hinweisen kann. Besonders, wenn der Hund hinter dem Kot von Pflanzenfressern her ist, ist das durchaus eine Option. Kann man für sich also die anderen Gründe ausschließen (oder nicht beurteilen, weil man die Vorgeschichte des Hundes nicht kennt), sollte man dieses Verhalten mit dem Tierarzt besprechen. Der Tierarzt wird dann ggf. eine Blutuntersuchung und eine Kotuntersuchung durchführen, um einen Ernährungsmangel oder auch einen Wurmbefall festzustellen bzw. ausschließen zu können. Der Wurmbefall wäre zwar nicht selbst ursächlich für das Kotfressen, allerdings ist ein Wurmbefall evtl. dafür verantwortlich, dass das Futter nicht mehr vollständig verwertet werden kann, was wiederum zum Nährstoffmangel führt, den der Hund mit dem Fressen von Kot auszugleichen versucht.

Zusammenfassend kann Kotfressen also die folgenden Ursachen haben:

  • Nährstoffmangel (z.B. durch Wurmbefall, falsche oder unzureichende Fütterung)
  • Fehlprägung (z.B. durch lange Zwingerhaltung oder unzureichende Fütterung im Welpenalter)
  • aufmerksamkeitsforderndes Verhalten
  • Entfernung von Reviermarkierungen anderer Hunde

Entsprechend durchdacht muss auch ein Training aufgebaut werden. Aber je nach Ursache kann es leider auch sein, dass man das Problem nicht in den Griff bekommt. Boogy zum Beispiel war bis zum Schluss nicht davon abzuhalten, jedes Häufchen aufzusammeln, was ihm vor die Nase kam. Bei ihm kam allerdings erschwerend auch eine Demenz dazu; was das Lernen oder Verhalten-Korrigieren zu einem endlosen Kreislauf gemacht hat.

Wann ist Kotfressen gefährlich ?

Es gibt also jede Menge unbedenkliche Gründe für dieses Verhaltensmuster beim Hund. Aber das Kotfressen ist nicht immer ungefährlich, es kann für manche Hunde sogar lebensbedrohlich sein. Neben einem Nährstoffmangel (der über einen langen Zeitraum durchaus zu weiteren Organschädigungen führen kann), haben besonders Hunde mit einem sogenannten MDR-1-Gendefekt ein erhöhtes Risiko, wenn Sie Kot von anderen Tieren aufnehmen. Der Gendefekt sorgt dafür, dass sich die Blut-Hirn-Schranke während der Welpenentwicklung nicht schließt, wie bei Hunden ohne diesen Defekt. Diese Schranke sorgt dafür, dass Medikamente nicht aus dem Blut ins Hirn wandern und dort Schäden anrichten können.

Der MDR-1-Defekt betrifft nicht alle Rassen, erstmalig trat der Effekt wahrscheinlich bei einem Collie auf, daher kommt er vornehmlich in Rassen vor, die in irgendeiner Form mit dieser Rasse verbunden sind.

Hierzu gehören unter anderem:

  • Collie (sowohl Kurzhaar und Langhaar)
  • Longhaired Whippet
  • Australian Shepherd (Normal und Miniature)
  • Shetland Sheepdog (Sheltie)
  • Silken Windhound
  • McNab
  • Wäller
  • Weißer Schäferhund
  • Old English Sheepdog (Bobtail)
  • English Shepherd
  • Deutscher Schäferhund
  • Border Collie
  • Mischlinge, die eine oder mehrere dieser Rassen in sich tragen

Man sieht, die Liste ist erschreckend lang und einige Rassen bringt man nicht auf den ersten Blick mit Collies in Verbindung. Wenn man aber einen Hund aus diesen Rassen hat, sollte man zumindest schon mal von diesem Defekt gehört und sich damit beschäftigt haben – es könnte lebensentscheidend für den Hund sein. Ob der Hund (sofern er zu diesen Rassen oder Mischungen gehört) am Defekt leidet, kann über eine spezielle Blutuntersuchung herausgefunden werden. Bei einigen dieser Rassen findet man auch entsprechende Angaben über die Elterntiere in der Ahnentafel und kann anhand dieser abschätzen, ob der Hund den Defekt hat (beide Elterntiere müssen mindestens Defektträger gewesen sein), ein sogenannter Defektträger (nur ein Elterntier war Defektträger und hat das vererbt) oder frei vom Defekt ist (entweder beide Elterntiere waren schon Defektfrei oder ein Eltertier war Träger, hat dieses Gen aber nicht vererbt). Eine Zucht mit betroffenen Tieren, also Tieren, die den Defekt haben, sollte vermieden werden. Da aber einige der genannten Rassen teilweise mehr als 50% Tiere als Defektträger definieren müssen, sind die Züchter mittlerweile angehalten, vor der Verpaarung anhand der Gene bzw. einer Untersuchung auf den MDR-1-Defekt so zu planen, dass möglichst keine Hunde mit Defekt aus der Paarung hervorgehen können.

Nun, wie schon geschrieben, ist die Blut-Hirn-Schranke bei Hunden mit dem MDR-1-Gendefekt nicht geschlossen. Bei einem gesunden Hund verhindert diese Schranke, dass Medikamente, vom Blut ins Gehirn gelangen und dort Schaden anrichten. Denn bei weitem nicht jedes Medikament ist ungefährlich, wenn es ins Gehirn wandert. Leider betrifft das auch einige Medikamente, die bei Tieren Anwendung finden.

Ein Beispiel ist das Entwurmungsmittel Ivermectin. Dieses findet häufig Anwendung bei der Entwurmung von Schafen oder Pferden, also Pflanzenfressern. Werden nun Reste dieses Medikamentes über die Verdauung des Schafs wieder ausgeschieden, befinden sie sich logischerweise im Kothaufen. Nimmt nun ein Hund den Kot dieses Schafs auf, passiert bei einem gesunden Hund erstmal nix; leidet der Hund aber am MDR-1-Gendefekt können die Medikamentenreste ins Gehirn gelangen und dort schwere Schäden anrichten.

Je nach Medikament und ob der Hund ‘nur Träger’ oder direkt vom Defekt betroffen ist, können hier schwer Schäden bis hin zum Tod des Hundes entstehen. In den wenigsten Fällen wird man den Zusammenbruch des Hundes mit den gefressenen Schafskötteln vom letzten Spaziergang in Verbindung bringen und selbst wenn, gibt es wenig, was der Tierarzt zur Behandlung unternehmen kann. Und leider ist auch nicht nur dieses Medikament betroffen, nein sogar Medikamente, die für gesunde Hunde Anwendung finden und gut vertragen werden, können bei MDR-1-Defekt-Hunden zu schweren Schäden bis zum Tod führen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Abseits von dieser Medikamentenunverträglichkeit handelt es sich bei Trägern und Defekt-Hunden um ‘ganz normale Hunde’, sie sind im täglichen Leben nicht eingeschränkt. Wenn man sich halt daran hält, dass bestimmte Medikamente nicht angewendet werden dürfen und entsprechend dann auch verhindert werden muss, dass der Hund Kot anderer Tiere frisst, wenn diese evtl. damit behandelt wurden.

Aus diesem Grunde ist ein Gentest so wichtig, um zu wissen, ob der eigene Hund betroffen ist. Sonst wird aus der “harmlosen Flohbehandlung” ganz schnell ein tierischer Notfall mit schlechten Erfolgsaussichten.

Überraschenderweise erlebe ich immer wieder, dass sogar langjährige Halter dieser Rasse nicht über dieses Problem informiert sind. Hier ist auch ein Appell an die Züchter dieser Rassen: Neben der umsichtigen Planung von Verpaarungen, ist es unbedingt auch notwendig, die zukünftigen Halter aufzuklären, insbesondere dann, wenn auch nur der Hauch einer Möglichkeit besteht, dass der zukünftige Welpe Träger oder sogar am Defekt erkrankt sein könnte.

Und ein Appell an die, die mit einer dieser Rassen liebäugeln: Bitte informiert euch vorher. Nicht alle dieser Rassen sind gleich stark betroffen, aber gerade bei den stark betroffenen Rassen, wird euch ein guter Züchter problemlos Auskunft über den Defekt an sich, über die Verpaarung und auf die Möglichkeit dieses Defektes bei eurem Welpen hinweisen. Wie gesagt: Selbst, wenn der Hund einen Defekt hat (also beide Eltern mindestens Träger waren), ist er deswegen kein schlechter Hund. Man muss halt nur auf die Medikation achten und sollte diesen Hund nicht in der Zucht einsetzen; bei einem Träger sollte man halt entsprechend darauf achten, dass das zweite Elterntier nach Möglichkeit komplett frei ist.

So, das war jetzt ‘etwas’ länger, als ich geplant habe, aber das Thema MDR-1 ist in meinen Augen einfach sehr wichtig und noch viel zu unbekannt. Im nächsten Artikel fasse ich mich wieder kürzer 😉

Falls du Fragen oder Anmerkungen zum Thema hast, hinterlass mir gern einfach ein Kommentar.

Geschrieben von: Tierservice Fehmarn

20. Januar 2021

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