Wie Hunde fressen (Teil 1)

Wie Hunde fressen (Teil 1)

Mit diesem Artikel starte ich eine neue Blogartikel-Reihe rund um das Fressen beim Hund. Dabei soll es gar nicht so sehr darum gehen, was IN den Napf kommt, als vielmehr darum, wie das Futter in den Hund kommt. Es kommt nicht selten vor, dass mich Kunden um Rat fragen, weil sie mit dem Fressverhalten ihres Hundes nicht glücklich werden. Mal frisst der Hund nur bröckchenweise das Futter, mal schlingt ein Hund so extrem, dass er das Futter kurz danach wieder erbricht. Manche Hunde fressen alles, manche sind sehr wählerisch, einige vertragen alles und einige fressen sogar unterwegs Unrat und Müll.

Damit wir verstehen, warum ein Hund tut, was auch immer er tut; müssen wir erstmal die Hintergründe erforschen. Daher gibt es in diesem ersten Teil ein paar Grundgedanken rund um das Fressen des Hundes.

Warum frisst ein Hund überhaupt?

Fressen ist erst einmal gleichbedeutend mit der Nahrungsaufnahme. Und die Nahrungsaufnahme dient der Aufnahme von Nährstoffen. Diese braucht der Körper, um zu funktionieren. Die Zellen benötigen Nährstoffe, um zu arbeiten; sowie der Organismus auch Sauerstoff für die Atmung benötigt. Allerdings benötigen verschiedene Organe verschiedene Nährstoffe. Das Herz benötigt zum Beispiel andere Nährstoffe als das Gehirn und einige Dinge kann der Körper auch selbst herstellen – wenn er die dafür notwendigen Bedingungen in der Umwelt findet. Ein bekanntes Beispiel hierfür wäre z.B. Vitamin D3, dass der Mensch zum Beispiel am besten dann selbst produzieren kann, wenn er sich im Sonnenlicht aufhält. Hunde (und übrigens auch Katzen) können nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen kein Vitamin D3 herstellen und es muss bei diesen Tieren über die Nahrung zugeführt werden. Ohne Nahrungsaufnahme ist also schlichtweg kein Leben möglich. Im Bauch der Mutter erhält der Welpe alle notwendigen Nährstoffe genau wie bei allen Säugetieren auf direktem Weg von der Mutter, aber sobald er auf der Welt ist, muss er sich selbst drum kümmern und tut dies auch instinktiv.

Was frisst ein Hund?

Um nachzuvollziehen, was ein Hund denn nun frisst, lohnt sich ein Blick auf das Gebiss des Hundes.

Das Gebiss des Hundes

Der Hund gehört wie auch sein Vorfahre der Wolf zu den Carnivoren, den Fleischfressern (lat. carni= Fleisch, lat. vore=Fressen). Auch sein Gebiss ist ein typisches Fleischfresser-Gebiss. Er kommt als Welpe zahnlos auf die Welt, die Zähne brechen mit etwa 3 Wochen durch. Wie wir Menschen auch, hat der Welpe erst einmal ein Milchzahngebiss mit üblicherweise 28 Zähnen. Mit etwa 5-6 Monaten fallen die Milchzähne aus und die bleibenden Zähne kommen durch und verteilen sich normalerweise auf 20 Zähne im Oberkiefer und 22 Zähne im Unterkiefer. Es gibt allerdings zuchtbedingte Abweichungen, so ist bei kleinen brachyzephalen Rassen, wie z.B. Mops, französischen oder englischen Bulldoggen, belegt, dass es dort zu Zahnverschmelzungen oder auch fehlenden Zahnwurzeln kommt; bei großen brachyzephalen Rassen (z.B. Bullmastiff) zeigen im Gegenzug überzählige Wurzeln oder zu viele Zähne (Quelle). Beim normalen Gesichtsschädel mit 42 Zähnen findet man im Oberkiefer 6 Schneidezähne, 2 Eckzähne, 8 Prämolaren und 4 Molaren und im Unterkiefer 6 Schneidezähne, 2 Eckzähne, 8 Prämolaren und 6 Molaren. Bei den (Prä-)Molaren handelt es sich um Mahlzähne, wie auch wir Menschen sie haben, allerdings ist die Form der Zähne ganz anders als bei uns. Ein Blick ins Hundemaul spricht Bände:

Die Form der Zähne legt nahe, dass diese vor allem zum Zerreißen und Zerteilen der Nahrung gedacht sind und weniger dafür, dass die Nahrung langwierig zermahlt wird, wie bei uns Menschen. Wir Menschen sind übrigens Omnivoren , daher ist unser Gebiss so vielschichtig aufgebaut, wir haben Schneide-, Eck- und abgeflachte Molaren. Schauen wir uns im Gegensatz dazu Pflanzenfresser, wie z.B. Pferde oder Rinder an, sehen wir dort, dass der Anteil an abgeflachten Mahlzähnen und Schneidezähne dort ein noch viel größerer im Gebiss ist.

Also ist der Hund Fleischfresser – oder?!

Wenn man sich allein das Gebiss anschaut, deutet also alles darauf hin, dass der Hund ein reiner Fleischfresser ist. Und auch heute noch, sind viele davon überzeugt, dass der Hund ein reiner Fleischfresser ist. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn ein Beutetier besteht nicht nur aus Fleisch. Ein typisches Beutetier besteht neben Fleisch noch aus Fell, Knochen, Organen, Magen- und Darminhalt. In Magen und Darm finden sich vor- oder angedaute Nahrungspartikel wie z.B. Gras, Kräuter, aber auch Getreidekörner. Auch das frisst ein Hund problemlos mit. Ein zweiter wichtiger Aspekt bei der Frage, was ein Hund denn nun frisst ist die Geschichte des Hundes und des Menschen. Man weiß nach wie vor nicht genau, ob der Wolf damals die Nähe des Menschen suchte, um vom Menschen hinterlassene Essensreste abzustauben, oder ob der Mensch sich die Wölfe gezielt angelockt hat, damit sie eine Wachfunktion für die Menschen übernehmen konnten. Die Ursachen für die “Hundwerdung” ist nicht abschließend geklärt, es gibt verschiedene Theorien. Klar ist aber, dass der Hund durchaus davon profitiert, wenn er dem Menschen folgt, denn der Mensch hinterlässt einfach viel Abfall, seien es Essensreste, Essensreste die Kleingetier wie Ratten anzog, die wiederum als leichte Beute dienen oder alte oder schwache Weidetiere, die für den Wolf/Hund leicht jagbar waren. Jedenfalls hat der Hund, je enger er mit dem Menschen zusammen lebte, immer mehr seiner Jagdfertigkeiten eingebüßt. Das schon allein deshalb, weil eine Rudeljagd, wie sie bei Wölfen statt findet, nicht von einem Hund allein gestemmt werden kann. Hinzu kommt, dass durch züchterische Auslese teilweise auch selektiert wurde, damit der Hund nur bestimmte Jagdsequenzen zeigt, wie z.B. das Folgen der Beute, was bei vielen Hütehunden zu sehen ist – vom finalen Beute-schlagen wird hier aber weit Abstand genommen, ein Hütehund soll sein Beutetier weder packen, noch reißen, noch Totschütteln. Eine wirklich funktionale Jagd könnten viele Hunde(rassen) in ihrer heutigen Form gar nicht mehr leisten.
Aber auch damals war Fleisch rar. Wäre der Hund also auf eine Ernährung mit reinem Fleisch angewiesen, wäre der Hund als solches wahrscheinlich gar nicht so populär geworden. Denn wenn wir in der Geschichte weiter schauen, war Fleisch später ein begehrtes Gut bei den Menschen und es gab viele Menschen, die kaum ausreichend Fleisch für die eigene Ernährung zur Verfügung hatten. Diese Menschen hätten sicherlich nicht das komplette Fleisch den Hofhunden gefüttert und sich selbst mit Kartoffeln und Gemüse zufrieden gegeben. Natürlich bekam der Hund auch vor einigen Jahrhunderten Fleisch, aber eben nicht sonderlich viel – oder hat es sich selbst in Form von Ratten, Mäusen und Co. gejagt. Ein großer Teil der Nahrung, die der Hund im Mittelalter vom Menschen bekam wird aber aus Resten bestanden haben, wie z.B. Getreidebreien, Gemüse, Obst, Knochen usw. Und wäre der Hund ein reiner Fleischfresser – sprich, wäre er wirklich auf Fleisch als einzige Nahrungsquelle angewiesen, würde es heute wohl keine Hunde mehr geben.

Übrigens gibt es auch andere Carnivoren, die sich nicht ausschließlich von Fleisch ernähren. Ein Beispiel sind z.B. Bären in sämtlichen Varianten. Und während man beim Grizzly noch das Bild im Kopf hat, wie er am Fluss Lachse fängt, fällt die Theorie der carnivoren Bären spätestens beim großen Panda zusammen. Die schwarzweißen Gesellen ernähren sich nun einmal hauptsächlich von Bambus und anderen Pflanzen. Trotzdem sind sie von der Art her Carnivoren. Auch Waschbären haben einen extrem bunten Speiseplan und sammeln nicht nur Fleisch- und andere tierische Produkte aus den Mülltonnen heraus. Auch der eng mit dem Haushund verwandte Fuchs wird ohne große Diskussion als Allesfresser deklariert.

Hunde sind extrem anpassungsfähig

Die wohl beste Erklärung dieses Problems findet sich in dem großen Vorteil des Hundes, der letztlich auch zur Domestikation geführt hat: Hunde sind extrem anpassungsfähig. Sie passen sich mithilfe des menschlichen (züchterischen) Einflusses unter anderem an verschiedenste Klimazonen an (man denke an Huskys, die mit ihrem dichten Fell Eis und Schnee trotzen), sie passen sich der Umgebung und ihrem Einsatzgebiet an (Neufundländer und Labradore mit Schwimmhäuten zum besseren Schwimmen im Wasser), sie passen sich ihrer Aufgabe an (der lange, schmale Körper des Dackels passt super in Erdlöcher, um Fuchs, Dachs, Marder und Kaninchen rauszuholen). Und sie passen sich eben auch dem Nahrungsangebot an. In Untersuchungen an wildlebenden Hunden wurde beobachtet, dass sich die Hunde von Hausresten, Fäkalien, Nahrungsresten, Beeren, Kräutern, Pflanzen, Fleisch, Knochen und sogar Insekten ernährt haben. Das soll nun bitte keiner als Aufforderung verstehen, seinen Hund mit Müll zu füttern, gutes Futter ist wichtig, wenn man seinem Hund ein langes, gesundes Leben ermöglichen will. Es zeigt aber, dass Hunde durchaus in der Lage sind, sich auch von anderen Dingen als “Nur-Fleisch” zu ernähren.

Hunde sind also trotz ihres Carnivoren-Gebiss zu den Omnivoren, den Allesfressern, zu zählen.

Hast du Fragen oder Anregungen zu meinem Artikel? Hinterlass mir gern ein Kommentar.

Geschrieben von: Tierservice Fehmarn

9. Dezember 2020

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