Hoffentlich gibt es jetzt viele schwere COVID-19-Fälle…

 
 
 

… diesen Gedanken habe ich mittlerweile fest formuliert. Dass es furchtbar ist, auf schwere Krankheitsverläufe in dieser Pandemie zu hoffen, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Dass ich mir bei denen, die berechtigte Angst oder Sorge haben zu erkranken, mit einer solchen Aussage keine Freunde mache – auch dessen bin ich mir bewusst. Und doch ist dieser Gedanke da und die Präsenz dieses Gedanken hat sich seit der Bekanntgabe der neuen Beschränkungen gestern vervielfacht. Denn Hunde- und Tierpensionen, mobile Tierbetreuungsservices und ähnliche Geschäftsfelder stehen damit vor einer existenziellen Krise und das, nachdem sich viele noch lange nicht von den Beschränkungen im März/April erholt haben.

Doch was genau bedeuten die gestern beschlossenen Einschränkungen für mich und meine Kollegen (Hundetraining möchte ich hier thematisch mal rauslassen, es geht in diesem Beitrag rein um Betreuungsleistungen) ?

Hundepensionen, Hundetagesstätten, Tierpensionen, mobile Tierbetreuungen – wie alle BETREUEN Tiere, wenn ihre Besitzer aus verschiedensten Gründen das zeitweise nicht allein bewerkstelligen können oder wollen.
Meine Kunden setzen sich zum Beispiel relativ klassisch zusammen:
-> Ich betreue Tiere, wenn ihre Besitzer verreist sind oder einen Tagesausflug machen (z.B. Musical-Besuch, Freizeitpark o.ä.) oder wenn sie zu Familienfeiern gereist sind
-> Ich betreue Hunde, deren Besitzer hier Urlaub machen, die den Hund aber für Tagesausflüge oder auch, weil sie nicht mit in die Ferienwohnung/Hotel dürfen, bei mir untergebracht haben
-> Ich betreue Tiere, weil Besitzer ins Krankenhaus müssen
-> Ich betreue Hunde, wenn die Besitzer lange Arbeitszeiten haben

Zusätzlich dazu unterstütze ich Stadt/Polizei/Ordnungsamt in dem ich Fundtiere kurzfristig aufnehme, bis der Besitzer ermittelt werden kann oder der weitere Verbleib des Tieres geklärt ist.

Ab kommenden Montag nun müssen – Stand 29.10.2020 8.30 Uhr – sämtliche Veranstaltungen unterbleiben. Ab Montag sind touristische Reisen und selbst Familienbesuche untersagt, wenn man dafür außerhalb übernachten muss. In meinem Fall konkret bedeutet das, dass 2 Hunde, die hier sind am Sonntag, spätestens Montag wohl abgeholt werden, da die Besitzer ihre Reise vermutlich abbrechen müssen; damit fehlt mir von dieser Einnahme auch wieder die Hälfte. Ich kann eigentlich sogar noch von Glück reden, dass ich im November bisher sowieso kaum Buchungen habe, weil seit dem Frühjahr sowieso nur sehr schleppend und wenn überhaupt, spät gebucht wird. Dadurch muss ich diesmal zumindest keine Gelder erstatten.

Wo es geht, verlangt die Politik wieder HomeOffice. Für die Hundepensionen, HuTas und Co. bedeutet das, dass seitens der Arbeitnehmer weniger Bedarf besteht, den Hund tagsüber abzugeben. Denn man ist ja sowieso zu Hause (wenn man denn noch einen Job hat). In meinem Fall kommt erschwerend hinzu, dass wahrscheinlich ein Großteil der Arbeitnehmer von der Insel, die nicht unerheblich vom Tourismus lebt – zuhause bleiben muss.
Darüber hinaus ist absehbar, dass demnächst wieder geplante Operationen und damit KH-Aufenthalte verschoben oder abgesagt werden. Teilweise passiert das auch jetzt schon, auch wenn aktuell häufig Personalgründe hinter den Absagen stehen. Weil Personal in Quarantäne ist oder anderweitig eingesetzt werden muss oder warum auch immer.

Buchungen für den November sind also nicht wirklich erkennbar, von einer Wirtschaftlichkeit ist nicht zu reden.

Was weiter läuft sind die Kosten: In meinem Fall ist ein großer Teil zum Beispiel die Umsatzsteuerzahlung, die im November fällig ist. Der Betrag ist zwar im Vergleich zum letzten Jahr fast lachhaft und dennoch, werde ich gut rechnen müssen, um ihn rechtzeitig zusammen zu kratzen. Betriebskosten machen bei mir persönlich nicht so viel aus, da ich kein externes Gebäude nutze, sondern eine Betreuung im häuslichen Umfeld anbiete. Bei anderen Kollegen sieht das anders aus. Aber da auch ich und meine Familie nicht von Luft und Liebe leben können, muss ich mir noch überlegen, wie ich meine privaten Kosten in den kommenden Wochen stemmen kann, inklusive einer größeren Autoreparatur.

Aber was ist mit Rücklagen?

Diese Frage wird immer mal wieder gestellt. Ja, es gab (zumindest in meinem Fall, ich weiß nicht, wie das bei Kollegen/Innen aussieht) Rücklagen. Die haben geholfen, die Zeit seit dem ersten Lockdown zu überstehen. Aber die Buchungslage ist bei vielen so schlecht und wackelig, dass die Zeit seither nicht gereicht hat, diese Rücklagen wieder aufzufüllen.

… und mit den Hilfen, die es von Bund und Land gab/gibt?

Die Hilfen, die es bisher von Bund und Land gab, waren für die meisten von uns nicht brauchbar. Das große Problem bei den bisherigen Hilfen ist, dass diese lediglich zur Deckung von Betriebsausgaben genutzt werden durften. Die Betriebsausgaben sind aber bei vielen von uns entweder so gering, dass es uns mehr Zeit und Nerven kosten würde, dafür Hilfen zu beantragen, als wir letztlich davon hätten. Ein Unternehmerlohn ist in den bisherigen Hilfen nicht vorgesehen gewesen. Übersetzt heißt das, ich dürfte für meine Kunden Anschaffungen wie z.B. Näpfe, Kissen, Decken (alles ausreichend vorhanden) von dem Geld kaufen. Meinen Kindern und mir was zu essen kaufen oder den Kredit für mein Auto oder meine privaten Versicherungen darf ich jedoch nicht davon bezahlen.

… Aber jetzt sollen Unternehmen doch 75% bekommen?!

Ja, so wurde das gestern erstmal erklärt. 75% des Umsatzes vom November des letzten Jahres. Das klingt nett und dass der Bund dafür 10 Milliarden bereithält, klingt auch nett. Jetzt muss man sich das aber erstmal auseinander friemeln. Tut man das, gibt es dabei einige Stolpersteine:
Gestern Abend erzählte z.B. Herr Rütter bei einer RTL-Sondersendung, dass allein die Veranstaltungsbranche (die ja auch von den Einschränkungen massiv betroffen ist) jährlich 130 Milliarden umsetzen würde. Rechne ich das durch 12 Monate komme ich auf 10,83 Milliarden pro Monat. Mal 75% wären das 8,125 Milliarden, die allein die Veranstaltungsbranche bekommen würde. Da ist noch kein Hotel drin, da ist noch kein Transportmittel drin, da ist noch kein Gastrobetrieb drin. Und erst recht mal nicht wir kleinen Hunde- und Tierpensionen, die die Hunde/Tiere betreuen, damit die Leute überhaupt zu den Veranstaltungen können. Aber Tourismusbranche und Gastrobranche und alles was dran hängt, soll ja auch noch 75% Erstattung bekommen – die Frage ist, woher?
Ein weiterer Stolperstein machte sich heute früh bemerkbar. So richtig hat noch keiner erklärt, wofür die 75% jetzt eigentlich sein sollen. Wird es wieder nur zur Deckung der Betriebsausgaben sein? Dann nützt es wieder nichts. Soll es als Unternehmerlohn gelten? Man wird ja noch träumen dürfen. Allerdings heißt es auch an anderer Stelle im Bund, man arbeite an einem Unternehmerlohn zur Überbrückung und wolle dies in den nächsten Wochen (!!) auf den Weg bringen. So richtig klar weiß man es also nicht.
Und der dritte Stolperstein: Heute morgen hieß es nämlich in der Presse, dass auf die Erstattung diejenigen Betriebe Anrecht hätten, die jetzt schließen müssen im November… Tja – ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll… Ich und alle anderen Tierbetreuungen fallen da nicht rein. Wir müssen nicht schließen. Im Gegenteil, wenn wir uns an die zuständigen Behörden wenden, heißt es oftmals, wir SOLLEN UNBEDINGT OFFEN BLEIBEN. Warum? Naja, irgendwer muss ja die Tiere versorgen, wenn das Gesundheitssystem kollabiert und die Menschen reihenweise ins Krankenhaus müssen und sich nicht selbst kümmern können. Übrigens hatte ich in diesem Jahr noch keinen einzigen Fall, in dem jemand ins KH musste wegen COVID und ich das Tier daraufhin betreuen musste. Aus den Erfahrungen mit den bisherigen Hilfspaketen heraus, denke ich übrigens nicht, dass wir Erstattungen bekommen, wenn wir uns selbstständig zu einer vorübergehenden Schließung unserer Betreuungen entschließen. Ist ja schließlich dann unsere Entscheidung, wenn wir keine entsprechende Ansage von Bund und Ländern bekommen. Nicht, dass sich irgendjemand jetzt denkt, er könne seinen Laden dicht machen und schön die 75% vom Staat kassieren – so ist’s ja nun auch nicht.

Und vielleicht merkt der ein oder andere jetzt, worauf ich mit dem Titel des Beitrags hinaus wollte. Wir sind in der jetzigen Situation, quasi gezwungen, darauf zu hoffen, dass es viele schwere Verläufe gibt. Das fühlt sich gelinde gesagt beschissen an. Denn natürlich liegt uns etwas daran, diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Warum sonst haben wir in den vergangenen Monaten Hygienepläne erstellt, permanent angepasst, die verschiedensten Medien konsumiert, Ämter konsultiert, um unsere Fragen beantwortet zu bekommen (was meist schon eine echte Herausforderung war), Betriebsabläufe umorganisiert (z.B. vermeiden wir durch Terminierung, dass 2 Hunde gleichzeitig geholt/gebracht werden, damit sich die Besitzer nicht begegnen). Natürlich liegt uns außerdem daran, dass unsere Kunden, Freunde, Familien gesund bleiben. Als Mensch wünsche ich niemanden einen schweren Verlauf. Als Unternehmer hängt daran in den kommenden Wochen unsere Existenz.
Nachtrag:
Ich möchte das Virus nicht kleinreden, ich leugne auch nicht, dass es das Virus gibt. Im Gegenteil ich (und ich denke, ich spreche hier auch für all meine Kollegen/Innen) haben ein sehr starkes Interesse daran, dass die Pandemie unter Kontrolle gebracht wird und der Tourismus wieder anrollen kann. Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Leute wieder reisen, sich verabreden, zu Konzerten gehen können. Der Großteil versucht, alles zu vollster Zufriedenheit umzusetzen, um ja kein Risiko einzugehen. Ich habe Verständnis für die Maßnahmen, zumindest insoweit, dass es einerseits heißt: Kontakte sollen soweit wie möglich vermieden werden. Andererseits stecken wir die Kinder in die Schulen, wo die Corona-Regeln einfach nicht eingehalten werden können. Mir gruselt es vor der Vorstellung, wenn man in 3-4 Wochen erkennen muss, dass die Zahlen nicht zurückgehen, weil die Schulen und Kitas offen sind. Man diese dann auch noch dicht machen muss, wer weiß, wie lang das dann dauert? Und natürlich ist mir das Argument, dass Kinder Kitas und Schulen aus sicheren Hort benötigen bewusst – aber die Politik tut ja so, als wären ALLE Kinder daheim Gewalt ausgesetzt.
Selbstverständlich werde auch ich (und ich denke, bei meinen Kollegen/Innen wird es genauso sein) mich an Regeln und Auflagen halten – mir ist es aber wichtig, der Öffentlichkeit auch meine Bedenken zu den gestern beschlossenen Dingen mitzuteilen, da gerade unter den Tierisch Selbstständigen viele Probleme diesbezüglich zu beobachten sind und ich fürchte, dass unsere Branche keiner so wirklich auf dem Zettel hat, obwohl wir auch eine wichtige Arbeit leisten. Das Problem ist nur, dass wir oft unser ganzes Herzblut, unsere Energie, unsere Zeit und unser Geld in unser Business stecken um so vielen Tieren und ihren Menschen wie möglich zu helfen – und dadurch von der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen oder vergessen werden.

UPDATE:

Mittlerweile gibt es neue Informationen zu der neuen Überbrückungshilfe. Leider ist es so, wie ich befürchtet habe – auch die neue Hilfe darf ausschließlich für betriebliche Kosten genutzt werden, NICHT als Unternehmerlohn. Na wenigstens kann ich mir dann gleich das Geld für den Steuerberater (als Unternehmer selbst kann man gar keinen Antrag stellen) sparen, wenn ich es vorher weiß. Es bleibt eine bittere Enttäuschung, hat die Politik doch erst letzte Woche vollmundig versprochen, sich mit dem Problem „Unternehmerlohn“ zeitnah zu befassen.

Geschrieben von: Tierservice Fehmarn

29. Oktober 2020

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7 Kommentare

  1. Das kann ich absolut so unterschreiben – Mir geht es mit meiner Hundepension und Gassi Service sowie mobiler Tierbetreuung genau so!

    Antworten
    • Liebe Lisa,
      vielen Dank für dein Kommentar.

      Ja, irgendwie sitzen wir alle im selben Boot. Ich habe gestern nach der Veröffentlichung auch noch ein paar Gespräche geführt. Aber tatsächlich ist mir ja auch gar kein Fall bekannt, in dem ein COVID-Patient sein Tier für die Dauer der Behandlung abgegeben hätte. Trotzdem ’sollen wir uns bereithalten‘. Für was auch immer. Schon frustrierend. Ich finde es erschreckend, wenn solche Gedanken aufkommen, denn uns ist ja allen daran gelegen, dass es möglichst wenig schwere Verläufe gibt. Andererseits sehe ich gerade eine ganze Branche in Gefahr.
      Ich bin gespannt, ob die Politik sich hierzu noch was einfallen lässt, ob irgendwelche Hilfen greifen oder oder oder.

      Ich wünsche dir viel Kraft und Durchhaltevermögen!

      Antworten
      • Ich habe tatsächlich gerade 2 Hunde aus einem Haushalt von einer Dame die auf ihr Testergebnis wartet. Optional war 3x täglich Gassi gehen (was ich einfach nicht schaffe da ich mich an entsprechend Zeiten halten müsste) oder die Hunde in Pension zu geben. Hier bekommen sie natürlich auch ihre Spaziergänge aber eben zu meinen passenden Zeiten, das kann auch mal 5 Uhr Morgens oder 20 Uhr Abends sein.
        Testergebnis wird am Dienstag erwartet, bis dahin bleiben die zwei auf jeden Fall. Danach schauen wir weiter.

        Antworten
        • Da muss man dich ja fast beglückwünschen für – ich finde es immer noch bitter, dass wir gerade so denken müssen.
          Faktisch wäre es bei mir auch so, dass Hunde bei mir untergebracht werden müssten, weil ich einen Gassi-Service nicht stemmen kann organisatorisch. Leider ist auch die neue Hilfe für die meisten von uns nutzlos (siehe mein Update gleich).
          Aber hey, die Deutschen DÜRFEN ja ins Ausland reisen und dort übernachten und die Wirtschaft unterstützen.
          Meiner Meinung nach ist das neue Maßnahmenpaket leider falsch zusammengestellt und ich kann über viele Maßnahmen (Zoos müssen vielerorts schließen, während Einkaufszentren offen bleiben) nur den Kopf schütteln.

          Antworten
  2. Weil meine Enkeltochter & ihr Lebensgefährte auch so ein wirklich tolles Unternehmen – immer noch im Aufbau – haben und gerade auf eurer schönen Insel einen Kurzurlaub von von rund 24 Stunden gemacht haben bin ich ständig mit meinen Gedanken bei ihnen und ähnlichen Unternehmen und ich weiß, wie viel Herzblut neben der vielen Arbeit, die nicht um 17 Uhr aufhört, darin steckt…………… Leider gibt es keinen Knall und alles ist vorbei, das wünsche ich mir manchmal und so gerne man es tun würde, man kann nicht helfen………

    Antworten
    • Vielen Dank für dein Kommentar Brigitte,

      ja, es ist echt schlimm und man fühlt sich auch irgendwie hängen gelassen, was Informationen angeht. Faktisch weiß ich zum Beispiel auch gar nicht, ob und in welcher Form ich ab nächster Woche noch Hundetraining anbieten darf. Höchstens als Einzeltraining (sofern es nicht als „Freizeitvergnügen“ eingestuft wird).

      Ich wünsche Ihrer Familie und insbesondere den noch jungen Unternehmern ein gutes Durchhaltevermögen!

      Antworten
  3. Lasst uns doch diesen guten Artikel an die Politik und die Presse schicken. Wir müssen uns wehren!!!

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