Fallbericht: Labrador Rocky – vom besten Freund eines Menschen

Rockys Geschichte geht mir bis heute unter die Haut, wenn ich darüber nachdenke. Dabei geht es Rocky, dem schwarzen Labrador-Rüden, der 2013 fast ein Dauerpflegling wurde, heute besser denn je. Ich habe ihn vor einigen Monaten mit seiner neuen Besitzerin – einer Hundetrainerin – wieder getroffen. Gemeinsam versuchten wir, das Puzzle, welches Rockys Geschichte darstellte, zusammen zu fügen. Ich begleitete Rocky insgesamt etwa 4-5 Monate und hätte am Anfang nie geglaubt, dass sich sein Schicksal so dramatisch wenden würde. Als ich der neuen Besitzerin von Rockys Geschichte erzählte, waren wir wohl beide ergriffen und berührt. Ich muss gestehen, dass ich trotz allem, gut auf dieses Erlebnis hätte verzichten können und auch lange brauchte, um das Erlebte zu verarbeiten. Umso schöner, zu wissen, wie gut er es jetzt hat. 

Alles begann mit dem Anruf einer Arztpraxis auf Fehmarn. Der Arzt persönlich war am Apparat und berichtete mir von einem Patienten. Dieser müsse dringend ins Krankenhaus, weigere sich allerdings, weil er niemanden hatte, der seinen Hund betreuen würde. Er lebte allein und hatte keine weiteren Angehörigen in unmittelbarer Nähe. Erschwerend kam hinzu, dass er arbeitslos und damit ohne Einkommen war, was auch der Grund war, warum er sich nicht selbst mit mir in Verbindung gesetzt hatte.

Ich brauchte nicht lang überlegen und sagte meine Hilfe zu; wir vereinbarten einen Kennenlerntermin, bei dem wir dann ein für den Hundebesitzer passendes Zahlungsmodell erarbeiten konnten, denn bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass der Hund länger als nur ein paar Tage bei mir bleiben würde. Wenige Tage später kam Rocky dann zur Betreuung. Er war ein netter, wenn auch zu schwerer, schwarzer Labrador-Rüde, der sich weder durch die Kinder, noch durch die anderen Hunde aus der Ruhe bringen ließ. Er mochte einfach alles und jeden. Einzig Kater Leo, der kurz vorher eingezogen ist, hatte er zum Fressen gern, aber wir arrangierten uns. Rocky lebte sich schnell in die Truppe ein und freute sich über jeden Hund, der hier ein und ausging.

Der sehbehinderte, notfallmäßig aufgenommene Moi, der kurz nach Rocky zu uns stieß, wurde schnell sein bester Freund, es war eine Freude, den beiden Jungs beim Spielen und Toben zuzusehen. Sie haben beide vom jeweils anderen profitiert, den Rockys Lebensfreude steckte Moi, der aus einer schlechten Haltung kam, an und gab ihm neuen Mut. Im Gegenzug dazu fand Rocky in Moi einen wunderbaren Spielpartner, der ihm gewichtsmäßig nicht davon lief. Was das Gewicht anging, hätte Rocky gut und gerne die Kilos, die zuviel waren, an Moi abgeben können, dieser kam nämlich in einem komplett abgemagerten Zustand bei mir an. So wie sich Moi in den Wochen bei mir gewichtsmäßig langsam stabilisierte, verlor Rocky nach und nach seine Speckröllchen und beim Impftermin hatte er lediglich noch 37 kg. Sein Rekordgewicht lag wohl tatsächlich mal bei über 42 kg. Irgendwann rutschte er aus seinem Halsband raus und bekam von mir ein grünes. stufenlos einstellbares Halsband für die restliche Zeit.

spielende Hunde

Rocky und Moi

Sein Gewicht wusste Rocky übrigens mehr als geschickt einzusetzen. Meist war er gut führig, ich erinnere mich aber an einen Spaziergang auf dem Deich mit den Hunden. Anschließend wollte ich noch einmal kurz zum Wasser runter. In dem Moment, in dem Rocky bemerkte, was mein Ziel war, zog er an und zwar so richtig. Er zog mich den steilen Deich runter und preschte ins Wasser. Irgendwie hatte er wohl vergessen, dass ich am anderen Ende der Leine war. Da ich leider die (schlechte) Angewohnheit habe, Hundeleinen nicht einfach loszulassen, kam es wie es kommen musste und als Rocky dann endlich aufhörte zu zerren, stand ich schon bis zu den Waden im Wasser. Mit Schuhen. Juchu. Oder so. 😉

Bis auf die Sache mit den Katzen, war Rocky alles in allem ein recht angenehmer Zeitgenosse und lebte sich während der 3 Monate, die er hier war immer besser ein. Trotzdem war die Freude auf beiden Seiten riesig, als Herrchen ihn endlich wieder abholen konnte. Herrchen war überrascht und begeistert, wie gut sich Rocky hier entwickelt hatte. Er wollte in nächster Zeit ein passendes, neues Halsband besorgen, bis dahin durfte er meines behalten. Über seine Mutter schaffte er es auch, die Rechnung innerhalb kürzester Zeit zu bezahlen. In der Folge kam Rocky dann noch zwei-, dreimal in die Tagesbetreuung, wenn Herrchen für Nachuntersuchungen ins Krankenhaus musste. Danach verlor sich der Kontakt für ein paar Wochen.

Bis zu jenem verdammten Sonntag.

Ja, ich fluche selten, dieser Sonntag stellte sich jedoch tatsächlich als ein ziemlich beschissener Tag dar.

Irgendwann morgens läutete das Telefon, im Display erschien die Tierheim-Nummer. Kein Ding, es war zu der Jahreszeit nicht ungewöhnlich, dass ich vormittags angerufen wurde, um ein Tierbaby abzuholen. Doch diesmal war es anderes. Die Tierheimleitung druckste etwas herum und erzählte mir, dass sich gerade die Kripo bei ihr gemeldet habe und gebeten hatte, einen Hund von einem Unfallort abzuholen. Es sei kein schöner Anblick, der Unfall sollte sich an der Fehmarnsundbrücke ereignet haben, der Hund war außer sich und ließ niemanden ins Auto, um den Personen zu helfen.

Ein Tierarzt sei unterwegs, um den Hund zu betäuben – ob ich mir zutrauen würde, den betäubten Hund ins Tierheim zu bringen, weil dort an diesem Morgen absolute Unterbesetzung herrschte? Ich sprach kurz die Kinderbetreuung ab und sagte zu. Die Tierheimleitung gab die Info an die Kripo weiter, die mich kurz darauf kontaktierte und mir den Weg beschrieb, der Tierarzt habe den Hund eben durch ein Autofenster betäubt und sei schon wieder los. Ich packte noch schnell die Hundebox sowie Leine, Leckerchen und Maulkorb ins Auto (man weiß ja nie, wann der Hund aufwacht und wie er dann drauf wäre) und ab ging es.

Ich erinnere mich noch, dass ich auf der Fahrt zum Unfallort im Kopf bereits die Kunden durchging, auf die die Beschreibung der Kripo mit „älterer Herr“ zutraf und mir die ganze Zeit sagte, es sei bestimmt ganz sicher kein Hund, den ich kenne. Doch ich sollte mich furchtbar irren.

Dann kam ich an der beschriebenen Stelle an. Ich parkte ein paar Meter vor dem Polizeibus, der den Weg absperrte. An der Anhängerkupplung sah ich einen schwarzen Hund schlafend liegen, etwa 30 Meter hinter dem Bus das Unfallauto. Ein Polizist kam zum Bus geeilt, als er mich sah. Ich ging zu ihm, um ihn zu begrüßen. An die Begrüßung erinnere ich mich noch sekundengenau. Ich ging zum Bus hin, mein Blick streifte den schwarzen Hund, als ich zur Begrüßung die Hand ausstreckte. Im Vorbeigehen sah ich das grüne Halsband im schwarzen Fell. Und mein Kopf explodierte.

Statt dem Polizisten auf seinen Gruß zu antworten, sagte ich: „Ich kenne den Hund!“. Der Polizist war irritiert, fragte nach, doch ich war mir sicher, ohne dass ich noch einmal hinschauen musste. Es war eindeutig Rocky. Nachdem ich den Polizisten erklärt hatte, dass der Hund vor kurzem noch in meiner Obhut war, ging ich zu Rocky, kniete mich neben ihn und sprach ihn an. Er wedelte einmal mit dem Schwanz, war aber zu sehr weggetreten, als das er sonst eine Reaktion zeigen konnte. Ich gab dem Polizisten die Halterdaten, soweit ich sie im Kopf hatte und er glich sie mit den Daten des Fahrzeughalters ab. Dann besprach er sich kurz mit den Kollegen und kam dann zu mir zurück, um mich zu fragen, ob ich bereit wäre, die Leiche zu identifizieren. Der Mann im Fahrzeug habe sich vermutlich das Leben genommen und der Hund hätte niemanden in das Fahrzeug gelassen, weswegen der Tierarzt ihn sedieren musste.

Nachdem ich zugesagt hatte, kam die Gerichtsmedizinerin mit ihrer Kamera. Auf den gezeigten Bildern war eindeutig Rockys Herrchen zu sehen. In mir stellte sich ein Taubheitsgefühl ein und ich wollte eigentlich nur noch mit Rocky weg von diesem furchtbaren Ort. Doch der war noch viel zu tief in seiner Betäubung, um auch nur den Kopf zu heben. Also fuhr ich noch einmal Rückwärts an den Polizeibus heran und mithilfe zweier Polizisten trugen wir Rocky in die Box im Auto. Ich prüfte mechanisch nach, ob sein Kopf so liegt, dass er gut atmen kann. Machte die Transportbox zu. Verabschiedete mich. Und stieg ein. Ich fuhr ein Stück, musste dann aber noch einmal anhalten.

Ich schrieb eine Nachricht an zu Hause, dass es Rocky sei und ich ihn jetzt ins Tierheim bringen würde. Es brach mir das Herz. Dann rief ich im Tierheim an, erzählte wieder, dass es Rocky sei (die Tierheimleiterin hatte ihn einige Wochen vorher bei einem Besuch bei mir kennen gelernt); fragte, ob ich ihn nicht lieber mir zu mir nehmen solle. Wir berieten uns, doch aus rechtlichen Gründen MUSSTE Rocky zunächst ins Tierheim. Also fuhr ich mit ihm dahin. Ich sprach mit ihm, obwohl ich merkte, dass er scheinbar immer noch tief schlief. Ärgerte mich, dass ich nicht vor dem Tierarzt da gewesen sei, um ihm die Betäubung zu ersparen. Was einem alles so in den Sinn kommt, wenn man in so eine Situation gerät….

Im Tierheim angekommen, prüfte ich zuerst einmal, ob mit Rocky alles in Ordnung war, er hatte die Fahrt gut überstanden, blinzelte mich kurz an, war aber immer noch viel zu fertig, um den Kopf zu heben, geschweige denn selbstständig aus dem Auto zu springen und ins Tierheim zu laufen. Also schloss ich die Box und sagte im Tierheim Bescheid. Da Rocky nach wie vor kein Leichtgewicht war und zu dem Zeitpunkt lediglich die Tierheimleiterin und eine weitere Mitarbeiterin vor Ort war, nahmen wir eine Schubkarre zu Hilfe. Zu zweit hievten wir Rocky aus der Box und in die Schubkarre. Jetzt sah ich zu allem Überfluss auch noch getrocknetes Blut auf seiner Nase. Aber es nutzte nichts. Wir brachten Rocky in einen vorbereiteten Zwinger und legten ihn auf eine Decke.

Er kam langsam wieder zu sich und ich bilde mir ein, er war erleichtert, mich an seiner Seite zu finden. Und so blieb ich auch noch eine Weile bei ihm, erzählte alles noch einmal der Tierheimleitung, gab die Halterdaten sowie die Auskünfte über Verwandte und Bekannte, zumindest soweit ich das wusste. Gab Infos zu Rocky selbst, dass er kürzlich geimpft wurde, während er noch bei mir war; dass er Katzen jagen würde, aber sonst zu allen Menschen freundlich sei. Es war später Vormittag, als ich den Heimweg antrat. Rocky war wach, aber müde. Der Tierarzt hatte ihm wohl eine ganz gute Ladung verpasst, aber er konnte ja weder das genaue Gewicht bestimmen noch wissen, dass der Hund im Grunde freundlich war. In den Tagen danach lebte Rocky sich gut im Tierheim ein. Er war wieder der fröhliche, lebensbejahende Hund, der er auch während seiner Zeit bei mir war. Ich hielt engen Kontakt mit dem Tierheim und wurde darüber informiert, als er in die Vermittlung ging. Ich erinnere mich, dass mich mal jemand anrief, der sich für ihn interessierte und meine Adresse bei Rockys Unterlagen gesehen hatte. Ich erzählte also wieder Rockys Vor- und Nachteile im Verhalten. Die Leute wollten ihn unbedingt haben. Danach schloss ich für mich erst einmal mit dem Thema ab.

Dann bekam ich am 07.06.2016 eine Nachricht auf Facebook von einer Hundetrainerin aus Lübeck. Sie fragte, ob wir uns mal treffen könnten, und schrieb, dass sie wohl einen ehemaligen Gasthund von mir hätte – Rockie, den sie 2013 übernommen hätte und von dem sie nur wusste, dass sein Herrchen verstorben sei. Ich brauchte nicht lang überlegen, welchen Hund sie meinte und wir vereinbarten ein Treffen. Das fand schon drei Tage später statt. Ich traf Rocky wieder, erzählte ihr, was ich wusste, und erfuhr, über welche Umwege er dann bei ihr gelandet sei. Rocky selbst hätte ich fast nicht wiedererkannt, er war zu einem Prachtkerl mutiert, noch einmal gut 10 kg abgenommen und mittlerweile top ausgebildet und Begleiter bei ihrem Hundetraining. Wir sind nach wie vor in losem Kontakt und ich freue mich, dass es Rocky heute so gut geht.

Es ist erstaunlich, wie schnell sich Hunde umstellen nach solch einem Ereignis. Es ist, als wäre ein Lebensabschnitt beendet und sie fangen einfach mit dem nächsten an, ohne zurückzublicken, auf das was war. Wenn das doch für uns Menschen auch so einfach wäre…

Geschrieben von: Tierservice Fehmarn

8. März 2017

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4 Kommentare

  1. Rocky ist auch ein süßer. Gut, dass er vermittelt werden konnte. Ich finde die Tierstorys immer so traurig :/

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    • Ich werde mich bemühen, auch mal Storys mit Happy End zu bringen 😉

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  2. So sehe ich das auch, Danke für den klasse Bericht.

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