Warum Leinenführigkeit so schwer ist

Viele Hundehalter kennen das Problem und es ist eins der am meisten angefragten Themen bei mir im Hundetraining: Die Leinenführigkeit.  Man geht mit seinem Hund spazieren und anstatt eines entspannten Miteinanders fühlt es sich an, als würde man ständig gegen ein Zugpferd ankämpfen. Der Arm wird länger, die Schulter schmerzt, der Hund hängt keuchend in der Leine – und beide sind nach zehn Minuten gestresster als vorher. Nicht selten höre ich den Satz „Durch den Hund spare ich mir das Fitnessstudio“ – häufig mit einem gequältem Lächeln des Aussprechenden.

Leinenführigkeit gehört allgemein zu den wohl häufigsten Trainingswünschen bei Hundehaltern überhaupt. Gleichzeitig ist es aber auch eines der schwierigsten und langwierigsten Themen. Warum ist das so? Und wie schafft man es, dass Spaziergänge endlich wieder Spaß machen?

In diesem Artikel möchte ich dir erklären, was Leinenführigkeit eigentlich bedeutet, warum sie vielen so schwerfällt, wie du sie Schritt für Schritt üben kannst, welche Ausrüstung sinnvoll ist und wie meine persönliche Wunschvorstellung von Leinenführigkeit aussieht. Außerdem zeige ich dir, welche Fehler im Training besonders häufig vorkommen – und wie du sie vermeiden kannst.


Was heißt Leinenführigkeit überhaupt?

Viele Menschen verwechseln die Begriffe „Leinenführigkeit“ und „Fuß laufen“. Dabei sind das zwei völlig unterschiedliche Dinge. Taucht in meinen Trainingsterminen das Thema auf, kläre ich dann zuerst einmal, welche Vorstellung bzw. welcher Wunsch eigentlich im Vordergrund steht.

  • Das klassische „Bei-Fuß-Laufen“ kennst du vielleicht aus dem Hundesport oder von Prüfungen. Der Hund geht dabei eng am Bein des Menschen, oft mit Blickkontakt nach oben, hoch konzentriert und über längere Zeit. Das ist Arbeit, Präzision und erfordert jede Menge Training.

  • Leinenführigkeit dagegen ist alltagstauglicher: Der Hund soll so an der Leine laufen, dass diese locker durchhängt und nicht ständig unter Spannung steht. Dabei muss er nicht am Knie kleben und auch nicht dauerhaft hochschauen. Wichtig ist, dass er die Orientierung am Menschen hält und nicht zieht.

Kurz gesagt: Beim Fuß laufen geht es um exakte Position und Gehorsam, bei der Leinenführigkeit um entspanntes gemeinsames Laufen im Alltag. Das Bei-Fuß-Laufen ist in meinen Augen nicht für einen längeren Zeitraum geeignet und kann sogar gesundheitsschädlich sein, wenn der Hund langfristig immer in einer Position mit überstrecktem Kopf laufen soll.


Warum ist Leinenführigkeit so schwer?

Es wäre doch so einfach: Hund an die Leine, los geht’s – oder? Ganz so leicht ist es eben nicht. Dass viele Hunde Probleme mit der Leinenführigkeit haben, liegt an mehreren Faktoren.

  1. Natürliches Lauftempo
    Hunde haben meist ein deutlich schnelleres Schritttempo als wir Menschen – unabhängig von ihrer Körpergröße. Wer sich schon mal ein Wettrennen mit einem Hund geliefert hat, weiß, dass wir Menschen da fast immer den kürzeren Ziehen, lediglich wenn der Hund ein körperliches Handicap hat, haben wir Zweibeiner eine Chance mitzuhalten. Während wir also gemütlich gehen, möchten sie oft traben oder laufen. Das sorgt automatisch für Spannung auf der Leine.

  2. Spannende Umwelt
    Für Hunde ist die Welt draußen voller Gerüche, Geräusche und Bewegungen. Da gibt es andere Hunde, Wildspuren, spannende Ecken zum Schnüffeln – all das wirkt wie ein Magnet. Und der Mensch am anderen Ende der Leine? Der muss zusehen, wie er sich interessant macht – oder er lässt es bleiben und zieht im Rennen um die Aufmerksamkeit des Hundes dann unweigerlich den Kürzeren.

  3. Selbstbelohnung
    Jeder Schritt, den ein Hund nach vorne kommt, ist für ihn eine Belohnung. Das heißt: Wenn er zieht und trotzdem vorwärtskommt, verstärkt er das Ziehen von selbst. Dieses Muster ist schwer wieder zu durchbrechen. Auch wenn wir sowieso in die Richtung wollen, in die der Hund zieht, bekommt der Hund beim Ziehen die Idee von „Ich muss dieses Verhalten zeigen, um meinen Menschen dahin zu führen, wo ich hin möchte“. Woher soll der Hund auch wissen, dass der Mensch sowieso das gleiche Ziel hat und man das auch mit lockerer Leine erreichen würde?

  4. Lernerfahrungen
    Schon sehr früh lernen viele Hunde, dass Ziehen „funktioniert“. Gerade Welpen und Junghunde dürfen häufig noch ungestüm in die Leine rennen. Später wundern wir uns, warum sie nicht locker laufen. Die eben beschriebene Selbstbelohnung tut hier ihr übriges. Und wenn der Hund das Prinzip erst einmal gelernt und verstanden hat, hat der Hundehalter meist einiges zu tun, um es ihm wieder anders beizubringen.

  5. Fehler des Menschen
    Manche Hilfsmittel wie Rollleinen oder zu lange Leinen fördern das Ziehen, weil immer eine gewisse Grundspannung besteht. Auch inkonsequentes Verhalten – mal darf der Hund ziehen, mal nicht – führt zu Verwirrung. Aber nicht nur dem Hund fällt es schwer, die Konzentration über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, auch die Hundehalter schaffen das insbesondere in der Anfangsphase nur sehr kurz.

  6. Selbstbeherrschung ist anstrengend
    Für Hunde bedeutet Leinenführigkeit, sich zurückzunehmen und eigene Impulse zu kontrollieren. Das ist für viele Vierbeiner richtig schwer, vor allem wenn sie jung oder temperamentvoll sind. Und auch der Mensch am anderen Ende der Leine darf sich beim Training nicht frustrieren lassen – auch bzw. obwohl man gerade in der Anfangszeit oder bei starker Ablenkung manchmal gar nicht richtig vom Platz wegkommt.

Kein Wunder also, dass die Leinenführigkeit für viele Mensch-Hund-Teams zu einer echten Herausforderung wird.


Wie übt man Leinenführigkeit?

Die gute Nachricht: Leinenführigkeit kann jeder Hund lernen. Aber – und das ist wichtig – es braucht Geduld, Konsequenz und Training in kleinen Schritten.

Grundprinzip

Der Hund soll verstehen: Nur wenn die Leine locker ist, geht es weiter. Ziehen bringt ihn nicht ans Ziel, lockeres Laufen schon.

Typische Trainingsmethoden

  • Stehenbleiben: Sobald Zug auf die Leine kommt, bleibst du sofort stehen. Erst wenn die Leine wieder locker ist, geht es weiter.

  • Richtungswechsel: Wechsel spontan die Richtung, wenn der Hund zieht. So lernt er, dass er sich an dir orientieren muss.

  • Belohnung: Lobe und belohne (Futter, Stimme, Spiel), wenn der Hund in lockerer Leine neben dir läuft. So verknüpft er, dass dieses Verhalten sich lohnt.

Realistisch bleiben

  • Fang in einer reizarmen Umgebung an, zum Beispiel im Garten, auf dem Hof oder in einer ruhigen Seitenstraße.

  • Halte die Übungsphasen kurz. Lieber Schritte an lockerer Leine als eine halbe Stunde genervtes Ziehen.

  • Steigere die Ablenkung erst nach und nach.


Halsband UND Geschirr – die Doppelstrategie

Ein besonders hilfreicher Ansatz in der Übungsphase: Der Hund trägt sowohl ein Halsband als auch ein Geschirr.

  • Geschirr = Freizeitmodus
    Wenn du keine Zeit oder keinen Kopf zum Üben hast, wenn die Umgebung zu aufregend ist oder wenn es einfach mal schneller gehen soll – häng die Leine ins Geschirr. Hier darf der Hund ziehen, hier gibt es keine Trainingsregeln. Das entspannt beide Seiten.

  • Halsband = Arbeitsmodus
    Willst du gezielt an der Leinenführigkeit arbeiten, befestige die Leine am Halsband. Jetzt gelten klare Regeln: Es geht nur weiter, wenn die Leine locker ist. Ziehen = Stehenbleiben oder Richtungswechsel. Locker = Belohnung und weitergehen.

  • Kurz und positiv
    Am Anfang reichen schon 2–3 Schritte an lockerer Leine, bevor du wieder ins Geschirr wechselst. So vermeidest du Frust und kannst das Training langsam ausbauen.

Der Vorteil: Wenn du konsequent zwischen den Anforderungen an Halsband und Geschirr trennst, lernt dein Hund beide Situationen und ihre Anforderungen zu unterscheiden. So entsteht weniger Verwirrung, und ihr könnt klar zwischen „Training“ und „Freizeit“ trennen.


Die richtige Ausrüstung

Neben der Doppelstrategie ist die Wahl der Ausrüstung entscheidend für erfolgreiches Training.

  • Halsband: Sollte gut sitzen, nicht würgen oder scheuern. Ideal fürs Training.

  • Geschirr: Muss perfekt passen, darf nicht in die Achseln schneiden und sollte Bewegungsfreiheit lassen. Perfekt für Freizeit und Absicherung. Es muss kein High-Tech-Geschirr mit Brustplatten oder besonders großem Halsausschnitt sein; es kann gern ein ganz simples, dafür möglichst gut einstellbares Geschirr sein – wenigstens Halsschlaufe und Bauchgurt sollten in der Länge frei verstellbar sein.

  • Leine: Eine feste Leine von 2–3 Metern Länge ist optimal. Sie gibt Bewegungsfreiheit, ohne den Hund unkontrolliert laufen zu lassen. Im besten Fall hat die Leine eine Handschlaufe oder entsprechende Einstellmöglichkeiten.

Hilfsmittel

Weil Leinenführigkeit so ein großes Thema ist, finden sich auf dem Markt allerlei Hilfsmittel:

  • Anti-Zug-Geschirr: Es gibt verschiedenste Hersteller mit verschiedensten Geschirren. Geschirre, bei denen zwei einzelne Schnüre in den Achseln verlaufen sind hochgradig schmerzhaft in ihrer Verwendung und man riskiert schwere Verletzungen. Diese Variante ist leider immer noch im Verkauf zu finden, auch wenn sie genau genommen gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Es gibt allerdings auch Geschirre, bei denen die Leine vor der Brust eingeschnallt wird. Darüber wird die Vorwärtsbewegung des Hundes ausgebremst und umgelenkt. Diese Art von Geschirren können übergangsweise gut genutzt werden, insbesondere wenn es ein Missverhältnis bei den Kräften zwischen Hund und Halter gibt. Ich selbst arbeite und empfehle seit Jahren Führgeschirre der Firma PetSafe, die diesem Prinzip folgen.

  • Kopfhalfter: Kopfhalfter werden am Kopf des Hundes angelegt. Zieht der Hund, wird bei korrekter Anlage der Kopf zum Hundehalter gedreht. Wichtig ist bei diesem Hilfsmittel, dass es tatsächlich super korrekt angelegt sein muss, da es sonst zu Verletzungen kommen kann. Da das in der Praxis nur selten der Fall ist, kann ich dieses Hilfsmittel nur in seltenen Fällen empfehlen.

Unbrauchbar fürs Training

  • Rollleinen: Sie fördern Zug, da immer Spannung besteht.

  • Schleppleinen: Sie sind für Rückruf- oder Freilauftraining gedacht, nicht für Leinenführigkeit.

  • Würgehalsbänder/Zugstopphalsbänder: Sie können Schmerzen und Verletzungen verursachen und haben im fairen Training nichts verloren.


Häufige Fehler im Training

Damit dein Training nicht ins Stocken gerät, hier die häufigsten Stolperfallen:

  1. Zu viel auf einmal wollen
    Wer gleich auf der belebten Hauptstraße oder an der Hundewiese bei den Hundekumpels startet, überfordert den Hund. Besser: Schritt für Schritt Ablenkung steigern.

  2. Mal so, mal so
    Heute darf der Hund ziehen, morgen nicht – das verwirrt. Klare Regeln sind wichtig. Die Doppelstrategie Halsband/Geschirr hilft, das sauber zu trennen. Nachlässigkeit beim Thema Leinenführigkeit rächt sich – und dann wird es meist noch schwieriger, den Hund wieder das korrekte Laufen an der Leine beizubringen.

  3. Zu lange Trainingsphasen
    Wenn Mensch und Hund beide frustriert sind, bringt es niemandem etwas. Lieber öfter und kurz trainieren.

  4. Falsche Ausrüstung
    Rollleinen, zu lange Leinen oder schlecht sitzende Geschirre erschweren das Training enorm.

  5. Kein Timing bei der Belohnung
    Lob und Futter müssen im richtigen Moment kommen – nämlich dann, wenn die Leine locker ist.


Meine persönliche Wunschvorstellung von Leinenführigkeit

Für mich sieht die perfekte Leinenführigkeit so aus:

  • Der Hund läuft an lockerer Leine neben mir.

  • Er bleibt auf derselben Seite und wechselt nicht selbstständig. Das ist tatsächlich mein persönliches Thema, weil ich in der Hundebetreuung meist mit mehreren Hunden unterwegs bin und es dann immer chaotisch zugeht, wenn alle Hunde kreuz und quer laufen.

  • Wir beide können entspannt nebeneinander hergehen – ohne ständiges Ziehen, ohne Korrekturen, ohne Stress.

Das ist alltagstauglich, fair für den Hund und sorgt dafür, dass Spaziergänge wieder zu gemeinsamer Zeit werden, die Mensch und Hund genießen können.


Fazit

Leinenführigkeit ist kein Hexenwerk, aber sie braucht Klarheit, Konsequenz und viel Geduld. Wenn du deinem Hund die Chance gibst, in kleinen Schritten zu lernen, und mit einer klaren Trennung zwischen Arbeits- und Freizeitmodus arbeitest, wirst du schnell Fortschritte sehen.

Wichtig ist, dass ihr beide Spaß an den Spaziergängen habt. Denn am Ende soll Leinenführigkeit nicht wie Drill wirken, sondern wie eine Selbstverständlichkeit im Alltag.

👉 Mein Tipp: Fang heute noch mit kleinen Übungen an. Schon ein paar lockere Schritte sind ein Erfolg! Und wenn du Unterstützung brauchst: In meiner offenen Gruppe oder im Einzeltraining helfe ich dir gern dabei, dass Spaziergänge für dich und deinen Hund wieder entspannt werden.

Geschrieben von: Tierservice Fehmarn

4. September 2025

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